4. April 2012

Weitere Einblicke - Traurige Realität

Gestern Abend bekam ich einen überraschenden Anruf.
Die Frau von Blumes Vorbesitzer meldete sich um mir
etwas mehr über das Mädchen zu erzählen.
Es vergingen beinahe drei Stunden und es wurde auch
noch über allerlei anderes geredet, doch hier fasse ich mal
kurz zusammen was ich neues über das Tier erfuhr.

Wo sie genau her kam konnte sie mir nicht sagen, nur dass sie
eines Tages ziemlich zottelig bei ihnen auf dem Hof stand.
Eigentlich zur Zucht gedacht scheiterte dieser Versuch leider.
Sie nahm zwar auf, verlor das Fohlen aber wieder.
Dennoch wurde in der kurzen Zeit wo sie sich in ihrem
Besitz befand mit ihr gearbeitet.
Sie hatte einen guten Eindruck hinterlassen.
Lief gut vor der Kutsche und war auch wohl brav im Umgang.
Sie stand bei ihnen im Offenstall bei mehreren Artgenossen.
In der Herde war sie unauffällig dennoch ab und an, wenn die
Situation in ihren Augen stressig zu werden schien etwas
kopflos, aber nie gefährlich.
Gesundheitliche Probleme hatte sie scheinbar auch nie.
Da auch dort sehr auf die Beine geachtet wurde konnte sie mir
berichten das sie bei ihnen Mauke-frei war.
Alles in allem ein absolut unproblematisches, gesundes, fleißiges Tier.
Sie verkauften sie damals weil sie eben keine Fohlen mehr
brachte, denn ein Züchter kann sich keine Stute leisten die
nicht wenigstens ab und zu ihren Dienst leistet.
Zu Blumes Leidwesen jedoch trafen sie die falsche Entscheidung.
Doch das konnten sie damals ja unmöglich wissen.

Das Bild nimmt also stetig klarere Formen an.
Und es erschreckt mich immer mehr!
Mein Mädchen war kein halbes Jahr hier in Münzenberg als ich sie
kennen lernte und näheren Kontakt mit ihr bekam.
Was war in dieser kurzen Zeit bloß geschehen???
Wie schafft man es in nicht einmal 6 Monaten aus einem gesunden,
arbeitswilligen und umgänglichen Pferd ein seelisches, körperliches
und gesundheitliches Wrack zu machen?
Als ich sie kennen lernte war sie mittlerweile kaum noch fahrbar.
Sie sprang ins Geschirr, trabte unkontrolliert an, lehnte sich gegen
Kutsche und Fahrer auf.
Dabei war es völlig egal ob sie ein- oder zweispännig gefahren wurde.
Selbst das Fahren vom Boden aus war keine Option mehr.
Auch im alltäglichen Umgang war sie büffelig.
Nicht gefährlich oder bösartig, dennoch alles andere als einfach.
Sie ignorierte den Menschen schlichtweg.
Was ihr Gesundheit anbetrifft so denke ich dabei seit jeher zuerst an ihre
Beine, denn diese waren damals in einem erbärmlichen Zustand.
Die Hinterbeine an den Innenseiten teilweise durch das scharren der
Hufe/Eisen großflächig offen oder voller Grind.
Der Rest wund gescheuert an diversen Kanten im Stall oder wo sie sonst
Gelegenheit dazu hatte.
Die Vorderbeine gänzlich zerbissen.
Der Fesselbehang hinten eigentlich nicht existent, vorne nur bedingt.
Unter dem Behang - ein Schlachtfeld aus Narben, verheilenden oder
frischen Wunden.
Und das Ganze sah nicht aus als wolle es ein Ende nehmen.

Je mehr ich über sie und ihre Vergangenheit heraus finde, umso mehr
merke ich das ich von Anfang an belogen und betrogen wurde.
Vielleicht war das nicht mal wirklich böse gemeint?!
Ich habe in seltenen Augenblicken fast den Eindruck das sie sich selbst
so oft belogen haben das sie die Wahrheit gar nicht mehr kannten oder
sahen.

Mir wurde immer weiß gemacht sie könne nichts, sein quasi "dumm" in
den Stall gekommen. Sie wären praktisch übers Ohr gehauen worden und
man hätte ihnen nur erzählt das sie gefahren und geritten worden wäre
es aber nie so gewesen sei.
Das sie schon seit jeher krank gewesen sei und man gegen diese Krankheit
absolut nichts tun könnte.
Das sie gefährlich sei und wirklich nur in absolut erfahrene Hände gehöre
oder am Besten gleich zum Schlachter!

Doch die Wahrheit kommt ganz langsam Stück für Stück ans Licht und
sie ist mehr als traurig und gänzlich anders.

Kann man es ihr verdenken das sie so wurde?
Sie hatte scheinbar bislang nur Schönes erleben dürfen.
Wenn ich die Bilder so sehe und die Geschichten höre war sie immer ein
festes Mitglied der Familie. Hatte viel Kontakt zu Menschen und auch
besonders Kindern.
Es wurde mit ihr gearbeitet, sie wurde gebraucht, durfte aber auch einfach
mal nur Pferd sein und Spaß haben.
Hatte Kontakt zu anderen Pferden und immer viel Platz zum Laufen,
wenn ihr denn mal danach war.

Dann änderte sich plötzlich alles!

Sie kam hierher und stand fortan in einer Box.
Keine Weide mehr.
Kein frisches Gras.
Kein Platz zum laufen, wälzen, toben.
Kein freier Himmel mehr über sich.
Kein direkter Kontakt mehr zu anderen Pferden.
Sie bekam 2x täglich riesige Rationen Futter, hatte aber eigentlich keinen
Bedarf dafür, denn gearbeitet wurde so gut wie nie.
Sie hatte keinen Kontakt mehr mit Menschen und wurde sogar von ihnen
fern gehalten, denn sie war ja brandgefährlich!
Wurde bei jedem schlecht gemacht und bekam einen Ruf angedichtet
dem sie nie auch nur annähernd gerecht hätte werden können.
Nicht zuletzt durch das viele Futter, die eigentlich nicht existente Arbeit,
den definitiv nicht existenten Auslauf und sozialen Kontakt, sowie die
extreme Haltungsumstellung wurde sie zuletzt noch krank was sich
äußerlich in ihren Beinen manifestierte und innerlich...ja innerlich
schottete sie sich vor Allem und Jedem ab.
Sie zog sich zurück.

In diesem Zustand lernte ich sie 2005/2006 kennen.
Ohne großes Vorwissen über Pferde und ganz besonders über Kaltblüter.
Ich sah sie und es war im Grunde genommen sofort klar.
Jedes andere Pferd hatte damals jemanden der sich um es sorgte, es liebte.
Nur sie allein war einzig Mittel zum Zweck und eigentlich ja ein
Klotz am Bein und ungeliebt.
Ich wollte nie etwas von ihr außer ihre Gegenwart und was sie von sich aus
bereit war zu geben.
Es dauerte lange 3 Jahre bis ich sie davon überzeugen konnte das es sich
vielleicht lohnen könnte.
3 Jahre um auf zu arbeiten was andere in nicht mal 6 Monaten völlig
zerstört hatten.
Im Grunde arbeiten wir an vielen Dingen noch heute und sicherlich wird
sie nie wieder so sein wie früher.

Ich frage mich ständig wie man so etwas einem Pferd antun kann und
sich darüber nicht mal im Klaren ist.
Schlimmer noch - nach wie vor denkt man hätte viel Ahnung von diesen
Tieren, weiß wie man damit umgeht, sie hält und mit diesem Wissen auch
noch hausieren geht, ja sogar angibt wie toll man alles mache!

DAS MACHT MICH EINFACH NUR SPRACHLOS!!!

Ich kann nur inständig hoffen das sich alles auf der Welt irgendwann
einmal rächt und mit ein ganz klein wenig Glück wir es vielleicht
sogar noch erleben wie sich das Rächt was Blume in dieser kurzen
Zeit angetan wurde!
Sie hätte es wirklich verdient!

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